Nein, da kann ich dich beruhigen. Dein kleiner Hund ist wahrscheinlich entweder in der Fremdelphase oder er pubertiert schon. Während diesen Zeiten sind unsere Synapsen auf Freizeit und Durchzug gepolt.

Wann ist die Fremdelphase und was passiert im Hirn?

In der Fremdelphase haben wir plötzlich vor allem Möglichen Angst, was wir eigentlich schon gut kennen. Das ist bei den meisten Welpen zwischen der 12. bis 16. Lebenswoche so. Der nette Schäferhund von nebenan, der uns noch nie etwas getan hat, wirkt auf einmal bedrohlich. „Hoffentlich erschlägt mich die Mülltonne nicht. Bin ich in meiner Höhle noch sicher? Huch, die Stufe ist aber hoch. Schaffe ich das? Nein, bleibe ich lieber mal hier unten sitzen.“

Solche Gedanken haben mich in dieser Zeit beschäftigt. Wir sind unsicher oder haben Angst vor Orten, Menschen und Ereignissen. Das stresst uns derartig, dass wir jetzt nicht auch noch neue Dinge lernen können. Drei Tage bis zu vier Wochen kann das so gehen. Das Ganze passiert noch mal, wenn wir in die Pubertät kommen: wieder Notstand im Hirn.

Airedale Terrier Bruno in der Pubertät:

Die Fremdelphase und meine schlechte Welpenzeit waren schon verwirrend und beängstigend genug, aber was jetzt gerade in meinem Körper passiert, übersteigt meine Vorstellungskraft.

Gerade haben wir noch meinen ersten Geburtstag gefeiert. Mein Frauchen Carlotta und Herrchen Marvin waren stolz, dass ich nicht mehr so ein Angsthase war wie früher und es ihnen mit Engelsgeduld gelungen war, mir die Grundspielregeln beizubringen.

Als ich bei ihnen einzog, wäre ich auch als Anführer der globalen Hooligans-Bewegung durchgegangen. Ich kannte keine Anstandsregeln, war ein rhetorischer Totalausfall und meine Ängste verschanzten sich hinter bösartiger Aggression. Das alles schien der Vergangenheit anzugehören. Aber jetzt?

Pubertät und das Kopfchaos

Bei mir haut es gerade alle Hirnleitungen raus, wenn ich einen Gully sehe. Da sind sie wieder, die Gitterstäbe aus meinem Käfig. Manche Dinge vergisst man, manche nie. Ich weiß auch nicht, was trauriger ist. Wenn ein fremder Hund bellend auf mich zukommt, werde ich zum Leinenrambo mit Terminatorabsichten. Ich verhalte mich wie ein verpickelter YouTuber mit Zahnklammer, der sich übermütig wie ein Medienstar aufführt, die Hosen aber gestrichen voll hat und selbst nicht weiß, wie ihm geschieht.

Carlotta sagt, früher hätte man Pubertätspickel mit Clearasil beträufelt. Heute geht man ins Innere der Seele und Herrchen hat für mich drei Doppelstunden beim Tierpsychologen gebucht. Musst nicht denken, dass das ausgereicht hätte. Was auch immer Frauchen von mir will, ich bin grundsätzlich dagegen. Ausnahmslos. Weil? Weiß ich nicht. Ich sehe nicht ein, dass ich nicht mehr ohne die Drecksleine raus darf.

Gestern war ich noch überzeugt, ich könnte locker über den zwei Meter hohen Gartenzaun springen. Heute ist das Kniegelenk ausgekurbelt und ich trage Verband. Unerhört ist das Spielverbot mit den Kindern auf der Hüpfburg. Bei der Hirnstoffwechselkontrolle falle ich durch, mein Verständnis für alternative Verhaltensweisen oder gar neue Methoden ist ins Stocken geraten. Eigentlich geht es gegen null. Kein urbayerischer Grantler könnte übler gelaunt und aggressiver aus dem Bett steigen als ich.

Das meint Herrchen doch jetzt nicht ernst? Joggen gehen bei diesem Sauwetter? Kann er vergessen, ich zerbeiße seine Sportschuhe. Selbst das mit dem Beinheben beim Pinkeln kriege ich nicht hin. Ich glaube, ich werde gerade zum Mann. Mensch, tut das weh!

Episode 16 aus dem Audio-Kompaktkurs: „In 21 Tagen zum Welpenexperten“ von Tierpsychologin Nina Sauer

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